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Hoffnung auf Glaubensfreiheit in Marokko – ZENIT – Deutsch

Religionsgelehrte schaffen Todesstrafe für Abfall vom Islam ab

Ein Lichtblick für Christen scheint sich in Marokko abzuzeichnen. Der Oberste Rat der Ulamā, die Religionsgelehrten des Landes, hat eine neue Interpretation von Apostasie vorgelegt, wonach diese nicht mehr mit dem Tode bestraft werden soll. In dem mit „Der Weg der Gelehrten” betitelten Dokument heißt es:

„Das akkurateste Verständnis, das am besten im Einklang mit dem islamischen Recht und der Sunna des Propheten steht, ist das, dass die Tötung des Apostaten’‪‪ die Tötung des Verräters der Gruppe meint. Im internationalen Recht hat es sein Äquivalent im Verrat. Die Apostaten in jener Epoche waren die Feinde der Umma, und zwar deswegen, weil sie Geheimnisse den Gegnern preisgeben konnten.“  

Apostasie wird also in dem kriegerischen Kontext der damaligen Zeit als politischer und nicht religiöser Verrat an der Gemeinschaft verurteilt.

Diese neue Auslegung löst die 2013 herausgegebene Fatwa desselben Rates ab, die noch die Todesstrafe für den Abfall vom Islam forderte.

Bedeutung für das Strafrecht in Marokko

Marokko gilt allgemein als Vorzeigeland eines moderaten Islam. Die Verfassung garantiert Kultfreiheit. Dennoch herrscht keineswegs Religionsfreiheit. Die knapp 30.000 Christen, die nur ein Prozent der Bevölkerung ausmachen, leben kontrolliert und mit starken Einschränkungen. Das Christentum wird, wenn überhaupt, nur bei Ausländern geduldet, nicht bei Marokkanern, die Moslems sein müssen. Die marokkanischen Christen dürfen weder in die Kirche gehen noch ihre Verstorbenen christlich begraben. Wenn sie heiraten wollen, sind sie gezwungen, dies offiziell im islamischen Ritus zu tun.

Obwohl das Strafrecht nicht den Abfall vom Islam im eigentlichen Sinne verfolgt, ahndet es streng die so genannte Proselytenmacherei. Es genügt der Verdacht der Missionierung, um zu einer Geldbuße und Gefängnis bis zu drei Jahren verurteilt zu werden.

Aus diesem Grunde müssen Konvertiten versteckt leben, und die „etablierten“ christlichen Gemeinden sind isoliert. Seit 2010 stehen christliche Hilfsorganisationen unter Beschuss.

Der neue Spruch der Religionsgelehrten wird zwar zunächst keine direkten Auswirkungen auf die Gesetzeslage haben – denn Apostasie ist auf dem Papier kein Straftatbestand. Seine Wirkung auf die islamische Welt darf aber nicht unterschätzt werden. Es geht dabei nicht nur um Gewissensfreiheit in Sachen von Religion, sondern um eine „Überdenkung“ des Islams, über eine „Modernisierung“ seiner Gesetze im Lichte der heutigen Gesellschaft und der universellen Menschenrechte. Der Ansatz der marokkanischen Religionsgelehrten könnte ein Wegweiser für Länder wie Saudi Arabien, Afghanistan, Iran, Pakistan, Qatar, Somalia oder den Sudan sein, wo die Prophetensprüche noch wörtlich ausgelegt werden und die Todesstrafe auf Apostasie steht.

Marokko kann Vorbild für pluralistische muslimische Gesellschaft werden

Für Pater Samir Khalil Samir, der Islamwissenschaften am Päpstlichen Orientalischen Institut in Rom lehrt, ist die neue Interpretation des Prophetenspruchs tatsächlich bahnbrechend. In einem gestern in AsiaNews veröffentlichten Interview definiert er die Entscheidung der marokkanischen Ulamā als „wichtigen Schritt“, „weil sie die Sharia nicht mehr wörtlich auslegen, sondern diese neu-interpretieren und an den aktuellen Kontext anpassen.“ Dabei ist auch diese nicht wirklich neu: eine politische Definition der Apostasie gab bereits der islamische Gelehrte Sufyān ath-Thaurī im 8. Jahrhundert.

Für den Jesuitenpater steckt hinter dieser Öffnung der König Mohammed VI., der mit seinem Reformprogramm den Forderungen des Arabischen Frühlings nach mehr Demokratie und soziale Gerechtigkeit entgegen zu kommen versucht. Marokko ist eine konstitutionelle Monarchie, wobei der König – aus der Dynastie der Alawiten stammend – auch Garant des Islam ist. Er versucht auf mehr oder weniger sanfte Weise den islamisch-konservativen Kräften entgegen zu steuern, die die Regierungspartei stellen, die Partei für Gerechtigkeit und Entwicklung. Erst vor kurzem hat der König ein Burka-Verbot erlassen, das er mit der Sicherheitsfrage begründete. Die geschätzten 1500 foreign fighters könnten andernfalls „verschleiert“ nach Marokko zurückkehren und dort untertauchen.